Konkurrenz lauert an jeder Ecke: der Kollege mit dem besseren Lösungsvorschlag, die Bloggerin mit viel mehr Followern, die Freundin mit dem schnelleren Diäterfolg und der Trainingspartner mit der niedrigeren Bestzeit. Konkurrenzdenken muss aber noch lange nicht negativ sein, denn es lässt sich vielfältig aus Konkurrenzsituationen profitieren. Das Prinzip nennt sich Coopetition und schafft neue Chancen – vor allem für Sportlerinnen und Sportler.

*Dieser Artikel von mir ist in ähnlicher Form in der Shape Up Business (Ausgabe Mai/ Juni 2021) veröffentlicht worden. Hier geht’s zum Fachmagazin: https://shapeup-business.de/

Gemeinsam stark

„Wissen und Erfahrungen sind wertvoller, wenn wir sie teilen.“ Dieses Zitat von Wladimir Klitschko bringt seine Philosophie als ehemaliger Profiboxer und erfolgreicher Unternehmer auf den Punkt. Klitschko sagt, dass Spitzensportler die Gabe hätten, Probleme als Herausforderung zu begreifen und sie entsprechend anzugehen. Darauf aufbauend sind die Eckpfeiler seiner Managamentlehre an der Schweizer Universität St. Gallen das Nutzbarmachen eigener Erfolge für andere, das Lernen aus Niederlagen sowie langfristige Planung. (1) Konkurrenz ist also ein wesentlicher Teil seines Erfolgsrezepts. Man muss nur wissen, wie man von seinen Mitstreitern profitieren kann und gemeinsam stärker wird.

Coopetition

Die Wortneuschöpfung „Coopetition“ setzt sich aus den einzelnen Wörtern Competition (Wettbewerb) und Cooperation (Zusammenarbeit) zusammen und wurde 1996 von den zwei Ökonomen Nalebuff und Brandenburger etabliert (3). Der Begriff stammt also aus dem Wirtschaftsbereich und beschreibt, dass Konzerne in unserer globalisierten und digitalen Welt eher wachsen und gedeihen, wenn sie mit anderen Konkurrenten als strategische Allianzen in gewissen Bereichen kooperieren. So können zum Beispiel gemeinsame Projekte realisiert werden, die Forschung kann vorangebracht, Expertenwissen ausgetauscht und die allgemeinen Bedingungen verbessert werden. So kann ein ruinöser Preiswettbewerb verhindert und eine Win-Win-Situation geschaffen werden (1). Veranschaulicht gesagt geht es bei Coopetition darum, den Kuchen zu vergrößern statt nur mit Konkurrenten um ein Stück zu streiten (3). Frank Dopheide sagt: „Coopetition ist zum Überlebensprinzip geworden. Es gilt nicht mehr, dass der Stärkste allein am stärksten ist“ (1). Die Welt ist schlichtweg zu komplex geworden, um alle Herausforderungen alleine bestehen zu können.

Wie lassen sich die Vorteile von Coopetition nun auf das eigene Sporttreiben anwenden?

Von Konkurrenz profitieren

Die Voraussetzungen für das Prinzip von Coopetition sind Vertrauen und Respekt den anderen gegenüber. Es gilt, sich vom bloßen und teilweise krankhaften Konkurrenzdenken zu distanzieren und die Perspektive einzunehmen: Was kann ich vom anderen lernen? Welche Erkenntnisse gewinne ich aus einer Niederlage? Und was kann ich leisten, um anderen zum Erfolg zu verhelfen?

Bei genauerer Betrachtung ist Coopetition schon lange eine etablierte Methode im Leistungssport. So braucht der Boxer beispielsweise einen Sparring-Partner zum Trainieren. Klitschko sagt in einem Interview: „Die Vorstellung, mit einem Konkurrenten zu kooperieren, etwas Größeres aufzubauen, ist wichtig. Anthony Joshua war mein Sparrings-Partner. Er hat mich vorbereitet auf einen Kampf gegen Kubrat Pulev. Das heißt: Mein damals zukünftiger Gegner hat mich für einen anderen Kampf fit gemacht. Man kann als Konkurrenten Synergien finden, auch wenn man sich später wieder trennt.“ (2)

Auch im Trainingslager von Triathleten, Schwimmern oder Leichtathleten trainieren Konkurrenten miteinander, unterstützen sich, geben sich wichtige Hinweise, lernen von den Stärken der anderen und arbeiten gezielt an eigenen Schwächen. Trotz des Wettbewerbs profitieren die Sportler von den Kompetenzen, Anregungen und Ideen der Mitstreiter.

Gamechanger Coopetition

Auch als Hobby- und Breitensportler kann Coopetition ein echter Gamechanger sein. ASICSFrontrunner Sebastian Gotzler hat sich in seiner Bachelor-Arbeit mit Challenge Management und Coopetition beschäftigt und gibt wertvolle Tipps, wie Konkurrenz die eigene Leistung beflügeln kann statt für Stress und Frustration zu sorgen.

Coopetition viel mit der eigenen Einstellung zu tun, sagt Gotzler. Begegne man der Konkurrenz mit Neid und Missgunst, werde aus gesunder Konkurrenz schnell ein anstrengender Machtkampf. Fokussiert man sich zum Beispiel nur auf die sportliche Leistung des Konkurrenten im Vergleich zur eigenen, kann dies zu Frustration führen. Wenn dagegen hinterfragt wird, was der Mitstreiter besser macht, um zu den gewünschten Ergebnissen zu gelangen, profitiert man von den Erfahrungen und der Strategie des anderen.

Sebastian Gotzler weiß, dass der richtige Umgang mit Konkurrenz nicht immer leicht, aber zu erlernen sei. Dazu solle man vor allem an der eigenen Selbstreflexion, Ehrlichkeit und Selbstkritik arbeiten. Selbstreflexion gilt dabei als Grundvoraussetzung, denn um die Unterschiede zwischen sich selbst und einem Mitstreiter zu erkennen, sei ein ehrliches und vollständiges Bild über die eigene Person unabdingbar. Auch Ehrlichkeit zahle sich aus, um erstens sich selbst gegenüber Fehler einzugestehen und um zweitens offen mit dem (besseren) Konkurrenten in den Austausch zu treten. Auch Kritikfähigkeit spiele eine große Rolle, denn wer seine Leistung steigern will, muss sich von anderen auch helfen und manchmal eben auch kritisieren lassen können.

Fünf Aspekte gesunder Konkurrenz

Sebastian Gotzler fasst die Vorteile gesunder Konkurrenz in fünf Aspekten zusammen. Zunächst hilft Konkurrenz, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Corona-Jahre seit 2020 hat es vielen Hobbysportlern und Athleten nicht leicht gemacht, konsequent am Ball zu bleiben. In der Fitnessbranche ist Europas größte Fitnessmesse FIBO ausgefallen, den Läufern und Triathleten fehlen die Wettkämpfe und auch Mannschaftssportler warten vergeblich auf ihre Gegner. Ohne Konkurrenz kann der Fokus aufs Training und sportliche Routinen schnell verloren gehen. Im sportlichen Wettbewerb hingegen bleibt die Motivation für harte Einheiten und regelmäßiges Training hoch.

Zweitens kann Konkurrenz dabei helfen, eigene Schwachstellen aufzudecken. Laut Gotzler ist der Vergleich mit seinen Mitstreitern immer auch ein guter Maßstab für die eigene Performance und ermöglicht so persönliche Weiterentwicklung. Dies gelingt allerdings nur, wenn der Erfolg anderer akzeptiert wird und die Bereitschaft besteht, von Mitstreitern zu lernen.

Konkurrenz kann außerdem dazu beitragen, das eigene Selbstwertgefühl zu steigern. Gelingt es nämlich, sich im Sport oder auch beruflich gegen einen Mitbewerber durchzusetzen, wird das eigene Ego gepusht. Natürlich trainiert man immer auch für die eigene Gesundheit, aber das Gefühl, den dritten Platz bei einem Volkslauf über zehn Kilometer zu belegen und einen Pokal in der Hand zu halten, ist einfach unschlagbar. Für einen extra Motivationsschub kann es laut Gotzler daher Sinn machen, die eigenen Kräfte regelmäßig mit anderen über Apps oder in Wettkämpfen zu messen.

Der vierte Aspekt von gesunder Konkurrenz ist das Offenbaren von Alleinstellungsmerkmalen. Die wenigsten Menschen wollen in der grauen Masse unter gehen und suchen geradezu nach etwas, was sie von anderen abhebt. Daher ist es ratsam, sich die Konkurrenz genau anzusehen und basierend auf dieser Analyse eine eigene Erfolgsstrategie zu entwickeln. Was kann ich, was kein anderer macht? Welche Kompetenz unterscheidet mich von meinen Mitstreitern? Was passiert, wenn ich gegen den Strom schwimme?

Fazit

Schlussendlich schafft Konkurrenz die Möglichkeit zu glänzen. Ohne jegliche Konkurrenz gäbe es keine Chance auf Anerkennung von anderen oder das Gefühl des Stolzes über die eigene Leistung. Auch der Ansporn und die Motivation würden langfristig verlorengehen. Sebastian Gotzler betont, dass erst die Konkurrenz zu Höchstleistungen antreibt und dazu beflügelt, die eigene Komfortzone zu verlassen. Schließlich sei es das beste Mittel, sich an die Fersen eines starken Konkurrenten zu hängen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.

Photos by: Andy Astfalck

Quellen:

1: Klitschko, W. & Bilen, S. (2017). Challenge Management. Was Sie als Manager vom Spitzensportler lernen können. Frankfurt: Campus.

2: ntv.de. Klitschko als Karrierecoach. Unter: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Interview-mit-Wladimir-Klitschko-Besessenheit-kann-etwas-Positives-sein-Liebe-ist-ein-Beispiel-dafuer-article20022736.html (letzter Zugriff: 16.01.2021)

3: Rettig, D. Coopetition – Lieber gemeinsam statt einsam. Unter: https://www.handelsblatt.com/technik/digitale-revolution/digitaldictionary-coopetition-lieber-gemeinsam-statt-einsam/25013094.html?ticket=ST-3805451-njWG7nyG1IHEViWZR6xe-ap4 (letzter Zugriff: 16.01.2021)

erstellt von
portrait

Elisa Dambeck

Gymnasiallehrerin (Sport, Deutsch), Fitness- und Personal Trainerin von Zwickauer Land, Erfurt

Altersklasse: 30

Meine Disziplinen
Yoga / Pilates Kraft-Training Funktionelles Training Fitness

Weitere Blogbeiträge