Natürlich gehört ein gewisser Trainingsfleiß und Regelmäßigkeit der Trainingsreize zu einem effektiven Lauftraining. Aber wenn du jedes Mal total erschöpft von deiner Trainingsrunde nach Hause zurückkehrst, wirst du nicht besser. Oft wird man bei zu hartem Training sogar schlechter, weil man seinen Körper überlastet. Doch welches Training ist effektiv und macht dich besser? Und wie findest du deine persönlichen Trainingsbereiche zwischen zu wenig und zu viel? Dabei kann dir eine moderne Laufuhr helfen. In Frühjahr wurde immer mal wieder über meine inzwischen mehr als 28 Jahre alten deutschen Rekorde über 10 Kilometer (27:47 min) und im Halbmarathon (60:34min) gesprochen, nachdem die Möglichkeit bestand, dass Richard Ringer oder Amanal Petros sie knacken könnte. Ich kann mich noch gut an meine damalige Vorbereitung im Februar und März 1993 im Höhentrainingslager in Mexiko erinnern, nach der ich die Rekorde aufgestellt hatte. Wir haben vier Wochen lang auf Laufstrecken zwischen 2600 und 3200 Metern Höhe trainiert. Da kann einem schon mal die Luft wegbleiben. Also muss man die Belastung anpassen. Es war damals wichtig, in der richtigen Geschwindigkeit und bei passenden Pulswerten zu trainieren, damit wir uns nicht zu sehr belasteten. Pulsuhren hatten wir damals noch keine, also haben wir zur Kontrolle nach jeder Einheit die Pulsschläge gezählt. Und auch die Vermessung der Trainingsstrecken war ungleich schwieriger als heute. Damals bekam ich beim Tempodauerlauf meine Zwischenzeiten jeden Kilometer aus dem mitfahrenden Auto zugerufen. Heute unvorstellbar, aber es hat funktioniert. Und die Ergebnisse aus diesem Höhentrainingslager haben gestimmt und können sich ja nach wie vor sehen lassen. Denn meine beiden Rekorde bestehen noch immer. Glücklicherweise hat sich seither sehr viel geändert, und effektive Trainingssteuerung ist heute für jeden möglich und auch viel einfacher. So gut wie alle aktuellen Pulsuhren und Smartwatches messen die Herzfrequenz in jeder einzelnen Sekunde der Trainingsbelastung. Diese Werte werden übersichtlich im Display angezeigt. Und wenn man will, kann man sich auch bei zu hohen oder zu niedrigen Pulswerten warnen lassen. Außerdem ist es heute Standard, dass jede Uhr über GPS die zurückgelegte Distanz misst und in Echtzeit die gerade aktuelle Laufgeschwindigkeit anzeigt. So ist zum Beispiel ein geschwindigkeitsbasierender Trainingsplan ganz einfach einzuhalten. Wenn es jetzt noch Standardwerte für die Herzfrequenz bei unterschiedlichen Trainingsgeschwindigkeiten geben würde, wäre das Thema Trainingssteuerung schnell erzählt. Doch ganz so einfach ist es nicht.
PULSWERTE SIND ABSOLUT INDIVIDUELL!
Jeder Läufer hat eine ganz individuelle Bandbreite zwischen seinem Ruhepuls und seinem Maximalpuls. Das liegt in erster Linie daran, dass unser Herz ein Muskel ist, und Muskeln kann man bekanntlich trainieren. Auch das Alter spielt eine gewisse Rolle. Aber auch unabhängig vom Training haben wir nicht alle den gleichgroßen Wadenmuskel, genauso ist es auch beim Herz: Ruhe- und Maximalpuls sind – unabhängig vom Training und Lebensalter – höchst individuell. Der Ruhepuls sinkt durch jahrelanges Ausdauertraining. Ich hatte in meiner aktiven Zeit als Laufprofi einen Ruhepuls von 34 Schlägen pro Minute. Bei Nicht-Profis ist der natürlich meist nicht so niedrig. Den Ruhepuls misst man am besten gleich morgens nach dem Aufwachen, also wenn man noch entspannt im Bett liegt. Da viele ihre Uhr auch in der Nacht tragen, ist die Messung des Ruhepulses ein Kinderspiel, du musst nur daran denken, auf die Uhr zu schauen. Mit der Zeit bekommst du ein Gefühl für deine Werte. Steigt der Ruhepuls mal deutlich im Vergleich zu den gewohnten Werten, ist Vorsicht geboten. Übertraining durch zu intensive Belastungen oder auch eine bevorstehende Erkältung könnten logische Erklärungen dafür sein. Einfach ausgedrückt: Ist dein Ruhepuls viel höher als sonst, liegt im Körper eine Störung oder eine Baustelle vor, auf die du reagieren solltest, indem du weniger hart oder gar nicht trainierst. Oder dich vom Arzt checken lässt.
TRAININGSBEREICHE ANHAND DES MAXIMALPULSES FESTLEGEN!
Der individuelle Maximalpuls ist etwas schwieriger herauszufinden und es wird auf jeden Fall anstrengender als beim Ruhepuls. Den Maximalpuls erreichst du, wenn du 100 Prozent Leistung gibst. Dieser Wert, der die maximale Schlagzahl des Herzens pro Minute angibt, ist sehr individuell und ein nicht ganz uninteressanter Wert für die Trainingssteuerung beim Ausdauertraining. Denn anhand dieses Wertes kannst du Pulsbereiche festlegen, in denen du trainierst, und dich weder überlastest noch unterforderst. Nehmen wir an, du gehst regelmäßig mit einem Laufpartner trainieren. Eigentlich ist euer Leistungsniveau sehr ähnlich, auch eure Wettkampfergebnisse liegen nicht weit auseinander. Nur die Werte eurer Pulsuhren stimmen so gar nicht überein. Ihr habt sogar schon darüber nachgedacht, ob nicht zumindest eine Uhr kaputt sein muss bei so unterschiedlichen Werten. Eher nicht, denn es liegt am unterschiedlichen Maximalpuls. Angenommen dein Maximalpuls liegt bei circa 170 und der andere bei 220 Schlägen pro Minute, das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Aber was ist jetzt besser bzw. wer hat eine höhere Leistungsfähigkeit? Der Maximalpuls hat keine Aussagekraft bezüglich des jeweiligen Leistungsvermögens, denn beide Läufer können 100 Prozent abrufen, der eine halt bei 170 und der andere bei 220 Herzschlägen pro Minute. Und auch wenn sie nicht 100 Prozent geben, sondern vielleicht nur 80 Prozent, werden die Pulswerte unterschiedlich hoch sein. Das erklärt, warum in unserem Beispiel zwei Läufer mit einem vergleichbaren Leistungsvermögen so unterschiedliche Pulswerte bei gleicher Belastung haben. Dies würde auch bei einer Leistungsdiagnostik herauskommen, also bei einem Ausdauertest in unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereichen. Bei einer Leistungsdiagnostik läuft man auf einem Laufband oder im Stadion mehrere Male immer die gleiche Distanz in einem vorgegebenen Tempo. Die Geschwindigkeit steigert sich von Mal zu Mal linear, beispielsweise von 7,5 über 9,0 und 10,5 bis zu 12,0 Stundenkilometern. Nach jeder Stufe wird entweder Blut aus dem Ohrläppchen abgenommen, um Laktatwerte zu bestimmen, oder es findet eine Atemgasanalyse statt.
BIS WANN PASST DAS TEMPO UND WANN IST ES ZU HOCH?
Entscheidend sind die daraus resultierenden Werte des Stoffwechsels, denn mit zunehmender Belastung steigt der Sauerstoffbedarf und der Energiestoffwechsel geht vom Fett- zum Kohlenhydratstoffwechsel über. In der Auswertung des Leistungstests sieht man genau, bei welcher Geschwindigkeit und bei welcher Herzfrequenz das Leistungssystem noch stabil arbeitet und wann nicht mehr und ein Leistungseinbruch bevorsteht. Oder anders ausgedrückt: Ab wann ist ein Tempo zu schnell und man hält es nicht lange durch oder bricht ein. Aber auch ohne spezielle Leistungsdiagnostik ist es wichtig, die individuellen Werte in die Pulsuhr richtig einzugeben. Die meisten Hersteller wählen als Grundeinstellung des Maximalpulses die Formel „220 minus Lebensalter“. Unter Läuferinnen und Läufern gibt es aber regelmäßig welche, die bei einer solchen Berechnung nach einem normalen Dauerlauf in der Auswertung angezeigt bekommen, dass sie einen Maximalwert von 110 Prozent ihres Maximalpulses erreicht haben. Das ist natürlich nicht möglich, also ist der berechnete Maximalpuls zu niedrig. Der korrekte Maximalpuls lässt sich ermitteln, wenn man ein intensives Intervallprogramm absolviert und sich dann an den höchsten Pulswerten beim Endspurt des letzten Tempolaufs orientiert.
IMMER IM RICHTIGEN BEREICH LAUFEN
Manchmal kann auch ein Belastungs-EKG beim Arzt Aufschluss geben, denn auch da steigt die Herzfrequenz in Richtung Maximalwert. Doch warum ist der Maximalpuls für eine effektive Trainingssteuerung so wichtig? Man soll doch im Training sowieso nicht sein Maximaltempo laufen. Das stimmt. Man kann mithilfe des Maximalpulses aber individuelle Trainingsbereiche berechnen. Und mit denen kannst du dein Training gezielt steuern. Kannst Reize setzen, um deinen Körper an neue Belastungen zu gewöhnen. Und kannst in anderen Einheiten aber auch ruhiger trainieren, damit du nicht überziehst. Wenn man also seinen Maximalpuls möglichst genau in seine Uhr eingibt, berechnet die Uhr die Trainingsbereiche automatisch, so dass man beispielsweise einen ruhigen Dauerlauf immer im „blauen Bereich“ laufen kann, einen mittleren Dauerlauf eher im „grünen Bereich“ und den Tempodauerlauf, also das Training der Wettkampfgeschwindigkeit, im „orangenen Bereich“. Der „rote Bereich“ ist für kurze Tempoläufe reserviert und sollte nur sehr gezielt eingesetzt werden. Diese Farben können von Uhrhersteller zu Uhrhersteller abweichen, alle machen aber die entsprechenden Trainingsbereiche farblich sichtbar. Mit Hilfe dieser Farben und Trainingsbereiche ist garantiert, dass du zum Beispiel auch bei hohen Außentemperaturen oder Überbelastung durch fehlende Regeneration effektiv trainierst und dich nicht zu sehr anstrengst. Denn solche Umstände können dafür sorgen, dass ein Tempo, das du sonst locker absolvierst, an diesem Tag zu hoch für dich ist.
So berechnest du mithilfe deiner maximalen Herzfrequenz deine Trainingsbereiche
- DL I Ruhiger Dauerlauf 70 bis 80 Prozent der max. HF
- DL II Mittlerer Dauerlauf 80 bis 85 Prozent der max. HF
- DL III Tempodauerlauf 85 bis 90 Prozent der max. HF
- TL Tempoläufe/Tempowechsel 85 bis 95 Prozent der max. HF
ALLES WICHTIGE AUF EINEN BLICK
Neben der Herzfrequenz habe ich aber auch die permanente Geschwindigkeitsmessung der Uhren in den letzten Jahren sehr schätzen gelernt. Als Profi war ich es gewohnt, eher nach Pace zu trainieren, denn die Norm für die Olympischen Spiele konnte ja nur durch ein bestimmtes Tempo erreicht werden. Auch heute noch schaue ich beim Laufen sehr oft auf meine Uhr, obwohl mein Tempogefühl in der Zwischenzeit auch bei deutlich niedrigeren Geschwindigkeiten ganz gut ausgeprägt ist. Aber das Zusammenspiel der vier Werte im Display meiner Pulsuhr fasziniert mich weiterhin bei jeder Trainingseinheit. Wie sind meine Zwischenzeiten pro Kilometer, welche Distanz habe ich bereits zurückgelegt, wie schnell laufe ich jetzt gerade in diesem Moment bzw. im Durchschnitt und wie reagiert darauf die Herzfrequenz? Für mich eine nette Ablenkung beim Laufen. Und in der Auswertung nach dem Training bekomme ich alles kompakt zusammengefasst, optisch in Kurven dargestellt und das Trainingstagebuch ist quasi auch schon geschrieben. Für mich ist die heutige Pulsuhr der optimale Begleiter des Läufers, und zwar vor, während und nach dem Training. Planung, Steuerung und Auswertung aus einer Hand, das hätte mir das Training in der Höhe von Mexiko damals um einiges erleichtert. Aber es hat ja auch so ganz gut funktioniert ...
erstellt von

Carsten Eich
Running Experte von Schweinfurt
Verein: ASICS FrontRunner
Trainer: RUN³Konzept