Häng nicht rum und warte darauf wieder trainieren zu können, sondern nutze die Zeit für andere Abenteuer.

Deutlich länger als die meisten Menschen, die ich kenne, blieb ich vom Corona Virus verschont. Nach einer Geschäftsreise nach Amsterdam war es dann auch bei mir soweit: Tante Corona, die keiner mag, besuchte mich und blieb eine Woche.

Das Jahr 2022 war bis dahin bei mir geprägt von meiner Entwicklung hin zu mehr innerer Leichtigkeit. Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine, so beobachtete ich, hatte mit meinem Umfeld und auch mit mir einiges gemacht. Die Menschen um mich wirkten oft sehr voreingenommen, schnell am Bewerten, hörten kaum mehr zu. Das erlebte ich als Coach bei anderen und beobachtete ich leider auch in Teilen an mir, wenn ich privat in Gesprächen war. Und bei vielen spürte ich diese leise Stimme der Einsamkeit, die übertönt wurde von gehetzter Aktivität, noch mehr reden oder schimpfen oder anderen "gut gemeinte Worte" sagen, um Themen schnell abzuschliessen, statt genauer bei anderen oder sich selbst hinzuhören. Wenig Zeit. VERSTEHEN braucht jedoch Zeit. Wer hat die schon? Denn gefühlt ist gerade alles für die Menschen unsicher, also beeilen sie sich dem nächsten kurzen Glücksimpuls hinterher zu jagen und übersehen, was für sie wesentlich ist. 

Was ist für mich wesentlich? 

Diese Fragen stellte ich mir in diesem Jahr. Und ich nutzte dazu zwei anderen Fragen, um mich dem zu nähern.

Wie zufrieden bin ich mit meinem Leben auf einer Skala von 1 bis 10? 

Wodurch? 

Und das erfüllte mich mit Dankbarkeit und einem Lächeln. Es tut sehr gut, das zu sehen, was ich mir in den letzten Jahren mit eigener Kraft aufgebaut hatte, und auch das, was mir gegeben wird. 

Die nächste Frage, die mir wesentlich erschien, war: 

Was in mir sehnt sich nach Erfüllung?
Mir schien innere Leichtigkeit erstrebenswert. 

Davon wollte ich mehr haben. Und das Jahr 2022 schenkte mir viele Lektionen darin. 

Wie in einem Computerspiel schien ich Level für Level immer wieder mit Herausforderungen konfrontiert, die mir zeigten wie es um mein inneres Leichtigkeitskonto steht. 

Manches Level meisterte ich sehr gut und gefühlt sehr leicht wie etwa die Wettkämpfe in diesem Jahr und auch beruflich gelang es mir häufig. Doch anderes war zum Teil recht schmerzhaft. Natürlich war ich nicht "Game over". Schliesslich hatte ich noch immer mein Leben und so ging es eben weiter. Und dann schien ich angekommen bei der grössten Herausforderung hin zu mehr innerer Leichtigkeit. Alles, was ich im Jahr gelernt hatte, schien hier notwendig als intuitives Vorwissen. Und von dieser #liveUplifted Erfahrung will ich hier erzählen.

Eigentlich hatte ich geplant, zu einer Freundin nach Stockholm zu fliegen als ich Corona bekam. Das wollte ich schon seit drei Jahren machen! Doch die Pandemie kam uns dazwischen. Und nun lag ich flach.

Als ich dann in meiner Wohnung in Isolation im Bett lag mit Covid-19 und vor mich hinhustete, bekam ich das Angebot, sobald ich gesund war, mit auf einen Road Trip in einem VW Bus (T3) zu kommen: ans Meer Richtung Finale Ligure. Gleich spürte ich einen großen Impuls, einfach „ja“ zu sagen. Obwohl ich mich kaum als Liebhaberin von sanitären Anlagen auf Campingplätzen bezeichnen würde. Doch es gab da dieses eine Bild, das ich aus meiner Coaching-Karten Sammlung schon vor einer ganzen Weile herausgezogen hatte und das an meiner Pinnwand im Wohnbereich hing:

Ein Bus auf dem Weg in die Berge, ein See davor. Leichtigkeit und Entdeckungsmöglichkeiten beim langsamen Reisen. Ein Sehnsuchtsbild, das bei jedem Blick darauf meine Abenteuerlust weckte.

Ohne eine echte Ahnung zu haben, was da auf mich zukommen würde, sagte ich zu. Ich kam also mit. Negativ getestet war ich seit einigen Tagen. Doch so ein paar Symptome waren klar noch da.

Die Ansage von meiner Trainerin Susanne Buckenlei war klar:

CORONA REGEL:

Warte mindestens 3 Tage bis du wieder in sportliche Aktivität einsteigst, nachdem du symptomfrei bist. Dabei geht es um die Symptome, nicht um den Schnell-Test!

Auch meine Lungen- und Kardiologieärzte bestätigen ähnliches. Lass dir Zeit! 

Es war also klar, erstmal – auch unterwegs - noch kein Training! Erstmal kein Sport! Und dabei hatte ich Mountainbike, Schwimmsachen und Trail-Laufschuhe im Gepäck. Die mussten also warten. Doch mit dem Ziel ans Meer zu kommen, war ich so zufrieden und beschäftigt, dass ich es okay fand, noch nicht trainieren zu können. Zumal ich lieber keine Spätfolgen habe und mich das ausreichend motivierte, die Füße still zu halten.

Ich habe die Tendenz, mir immer ein anderes erfüllendes Thema zu suchen, wenn eine Weile kein Training möglich ist. Beim letzten Mal schrieb ich ein Buch. Der Kopf ist dankbar für andere Abenteuer.

Ich packte also so, dass die Sportsachen in einer extra Tasche ganz weit hinten im VW-Bus verstaut werden konnten und die „normale“ Kleidung packte ich in eine andere Tasche.

Ein super Tipp, den ich zum Packen für den VW-Bus bekam: alles in kleine Jute Taschen in der großen Tasche packen, dann findest du alles schneller.

Und dann ging es los. Über Garmisch Partenkirchen und Engadin wollten wir als erstes Zwischenziel zum Comer See. Und von dort aus dann ans Meer in Italien, Ligurien.

Soweit der Plan. Doch „Bussle“ wie der T3 liebevoll genannt wird, ging die Puste schon im unteren Engadin am Berg aus. Das Getriebe (die unteren Gänge) brachten ihn so sehr ins Schnaufen, dass er mitten auf der Strecke aufgab. 
Glücklicherweise standen wir vor einem Hotel. Okay, zugegeben ein heruntergekommenes Hotel. 

Nach einigen vergeblichen Versuchen Bussle wieder zum Weiterfahren zu bewegen, akzeptierten wir den Zustand. 

Wir dachten über unsere Optionen nach - entspannt im Bus mit dampfender Teetasse. Schließlich beschlossen wir es als Zeichen zu sehen, dass der VW-Bus genau vor einem Hotel liegen geblieben war. Wir stiegen aus, um eine Unterkunft für eine Nacht im Hotel zu erbitten. Eine weisshaarige Frau fing uns ab, als wir den Eingang suchend um das Hotel schlichen. Das Hotel war nicht mehr in Betrieb. Sie stellte uns jedoch den Wirt des Gasthauses vor und der wiederum kannte "Jaqueline" im Dorf. Und so fanden wir in der ersten Nacht unseren Unterschlupf in einer grossen umgebauten Scheune in Remüs bei Jaqueline und ihrem Partner.

Am morgen baten wir den ADAC darum, Bussle abzuschleppen - bis in die nächste Werkstatt. Doch die sah keine Möglichkeit ihn innerhalb von wenigen Tagen wieder auf Fahrt zu bringen. Bussle brauchte länger Verschnaufpause. So wie ich nach Corona. Wir setzten uns im Bussle zusammen und genossen die Sonne, die uns ins Gesicht schien beim entspannten Nachdenken. Nach dem Abwägen aller Mietwagen- und Rückkehr Optionen, entschieden wir uns nach Lindau am Bodensee mit dem Zug zu fahren, dort einen Mietwagen zu holen und dann die Reise fortzusetzen. Wir packten ein frisches Tshirt, Zahnbürste und Co in unsere Rucksäcke und marschierten zum nächsten Bahnhof (ca 20 Minuten). In letzter Minute bekamen wir den nächsten Zug noch, denn ein Zugticket von der Schweiz nach Lindau zu kaufen, stellte sich als enorme Herausforderung für das schweizerische-deutsche Bahn-Buchungssystem heraus. Verschwitzt, aber erleichtert lachend, saßen wir schließlich im Zug.

Am Abend des zweiten Tags waren wir also ungeplant – statt am Meer – am Bodensee in Lindau - nicht mit dem VW-Bus sondern mit dem Zug (inklusive viermal umsteigen, ohne einen Anschluss zu verpassen!). Nicht am Campingplatz, sondern in einem einfachen Hotel.

Flashback: Dieser Road Trip erinnerte mich an meine Weltreise 2004 als ich mit dem Rucksack allein über einige Kontinente zog. Ich wusste nie genau, wo ich in einer Woche bin.


Am Morgen des dritten Road Trip Tages hatte ich von 7 bis 8 Uhr aus dem Hotelzimmer heraus ein Erstgespräch mit einer Interessentin. Eine Führungskraft beim Staat. Auweia, war mein Auftreten gerade seriös genug? Sie störte sich nicht an der hässlichen Holzbadezimmertür in meinem Rücken. Im Gegenteil, ich bekam den Auftrag für das Führungskraft-Coaching. Nach dem Frühstück holten wir den Mietwagen ab. Und dann, ihr ahnt es, lief es BEINAHE reibungslos. ;)

Erstmal fuhren wir zurück ins Engadin zu Bussle, alle Taschen und die Bikes umladen und dann fuhren wir …naja zumindest eine Stunde lang. Denn dann stand wieder ein Coaching in meinem Kalender. Da ich offiziell keinen Urlaub hatte und nicht alles verlegen konnte, galt es immer wieder Flexibilität für meine geschäftlichen Termine zu zeigen. Unser vorgesehener Zwischenhalt war zeitlich nicht mehr zu schaffen. Wir suchten kurzerhand einen erreichbaren Parkplatz. Und fanden einen Spielplatz auf einer wunderschönen Bergwiese im Engadin. Ich coachte remote meinen Klienten, der selbst Vater ist und sich auf das Ultra-Laufevent "Diagonale des Fous" auf La Reunion mental vorbereitete. Er mochte die Atmosphäre des Coachings – inklusive Kinderlachen im Hintergrund. Und er war selbst kürzlich im Engadin – hatte also gleich positive Assoziationen mit meiner Location.

Danach gab es erstmal aus dampfenden Kaffeebechern frischen Siebträger Kaffee -  auf der Wiese sitzend, den Blick auf die Berge gerichtet, den Rücken an einen Holzzaun gelehnt. Die letzten Sonnenstrahlen im Gesicht tanken. Bevor wir den Maloja Pass hinabfuhren- endlich zum Comer See, nach Domasio. Die Dame, die uns am späteren Abend empfing war – wie von der Appartment-Vermittlung angekündigt: „Very funny – but she can't speak English or German.“ Sie war fantastisch – eine temperamentvolle Italienerin, die uns das Appartment zeigte als hätten wir vor, einzuziehen. Die dritte Nacht schlief ich also nun in der Nähe des Comer Sees ein. Am nächsten Morgen war es warm, die Sonne gönnte uns einen Kaffee auf der Terrasse. Und dann gingen wir zum Ufer des Comer Sees. Ich war dort noch nie. Und der Anblick des Sees begeisterte mich sehr. 

Es war soweit, ich hatte große Lust auf Bewegung, fühlte mich ausreichend gesund und schwamm ganz locker! Das war wundervoll. Wir verschoben unsere Abreise für ein Mittagessen in einem sehr entspannten „Surfer“- Restaurant direkt am See. Irgendwann fuhren wir weiter. Im Flow.

Am Abend des vierten Tags erreichten wir schließlich das Meer. 

Wir waren die erste Nacht in einem Hotel untergekommen, da war Meerblick und eine tolle Dachterrasse mit einem wundervollen Frühstück. Und das Personal sehr freundlich. Doch die Hauptstrasse war laut. Es brauchte Klimaanlage zum Schlafen, an ein offenes Fenster war nicht zu denken.


Wir gingen zum Strand, ich schwamm endlich im Meer und kam mit einem Grinsen raus. Und dann entdeckten wir unser wundervolles Apartment in Noli. Über den Dächern hatten wir eine kleine Terrasse. Und von dort hörten wir keine Autos, sondern italienische Familien beim Abendessen lachen und reden. 

Die Ausstrahlung der Menschen und das Flair dieses Ortes steckten uns an.

Wir waren angekommen. 

Wir hatten das Gefühl von einem Roadmovie in einen Disney-Film gerutscht zu sein. Beides fühlte sich  richtig an.

Die ersten Tage schwamm ich nur im Meer. Nicht länger als 30min täglich. Am Montag darauf stieg ich zum ersten Mal auf mein Mountainbike und erkundete die Gegend. Puls maximal bei 122 Schlägen. Am Dienstag wagte ich eine leichte Wanderung in den Trail-Schuhen. Laufen war noch zu früh, sagte mir mein Körpergefühl.


Tipp zu Training nach Corona:
Bitte steig nicht zu früh ein, lass dir Zeit. Vor allem mit Intervallen. 

Beginne nicht mit dem Laufsport, sondern erst mal eher Radfahren, Klettern oder Schwimmen. Achte auf deinen Puls. Bleibe im unteren GA-1 Bereich. Um das Herz-Kreislauf System langsam wieder an Sport zu gewöhnen. 

Über den Gardasee ging es zurück. Auch am Gardasee begann der Tag wieder mit einer ungewöhnlichen Sonderaufgabe am Morgen: ein Kooperationspartner bat mich kurzfristig um Unterwasseraufnahmen… so kam ich auch noch im Gardasee zum Schwimmen. In Summe schwamm ich so an vier verschiedenen Orten in neun Tagen und in drei verschiedenen Gewässern. :)

Fazit: Die Menschen, die uns begegneten waren alle herzlich und bemüht uns bei unserem Abenteuer zu unterstützen. Sicher auch, weil wir diese Leichtigkeit ausstrahlten, es machte Spaß uns zu unterstützen. 

Wir hatten Zeit, Geduld, Durchhaltevermögen und ein Lachen im Gesicht. 



Natürlich hätten wir fliegen können von München nach Genua. Doch da wir es nicht eilig hatten und Training ja ohnehin anfangs nicht möglich war, erlebten wir eine unglaublich schöne abenteuerliche, manchmal skurril liebevolle Reise. Die Hürden brachten uns nicht zum Verzweifeln, sondern zum Lachen. Sie erinnerten uns daran, dass das Leben eben nicht geradlinig verläuft.

Und ja,  – auch aus wissenschaftlicher Perspektive ist es bestätigt – ich hatte etwas mehr mentale Flexibilität für den Umgang mit ungeplanten Hürden, als nicht alles nach Trainingsplan durchgetaktet war. Doch alles zu seiner Zeit. Es geht ums Abwägen von Fokus und Leichtigkeit. Jetzt freue ich mich auf einen langsamen Aufbau mit Struktur im Training. Die Mischung machts!

Die Kunst unseres Road Trips bestand darin, das Beste aus dem zu machen, was sich uns bot. Genau so definieren sich übrigens auch  Resilienz und mentale Stärke.
erstellt von
portrait

Daniela Dihsmaier

Executive Coach und Sport Mental Coach von München

Altersklasse: W45

Trainer: Susanne Buckenlei

Meine Disziplinen
Triathlon Olympische Distanz Triathlon Langdistanz

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