Körperideale können Frauen stärker als Männer unter Druck setzen wie Studien zeigen. Eine realistischere, "echte" Optik kann hingegen die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper fördern. Und genau diese realistischere Optik erleben wir, wenn wir aktiv mit anderen Sport machen. Nur machen Frauen noch immer weniger Sport als Männer, darauf macht ASICS in der Studie „State of Mind“ aufmerksam. (1)

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Wie du sein sollst.

Je älter ich werde, desto entspannter kann ich damit umgehen, wie ich aussehe. Doch im Alter von vierzehn bis Mitte zwanzig hat mich das ehrlich gesagt, ganz schön gestresst, dass ich nicht aussah wie das damalig propagierte Körperideal der 90er Jahre: sehr schlank mit proportional viel Oberweite. Es war der 90er Jahre Style, wie etwa Claudia Schiffer. Und ich passte so gar nicht in dieses Bild. Ich war von Anfang an eher schmal gebaut und ein Dirndl hab ich nie ausgefüllt. Dann kamen plötzlich Kate Moss, Gwyneth Paltrow, Mia Jovovich und Naomi Campbell. Sie wurden meine Heldinnen und entlasteten mich ein wenig, denn sie hatten auch nicht soviel "da oben". Als dann eine Freundin zu mir sagte, dass sogar ihr Freund, der schlanke Frauen mag, findet, "dass die Gwyneth echt zu wenig hat", kamen die Zweifel wieder hoch. Statt diese Form von Freundschaft zu hinterfragen, hadert man in diesem Alter mit sich selbst und dem eigenen Körper. Wieder schien es mir, als ob ich nicht schön genug bin. 
Frauen gehen sehr streng mit sich und anderen ins Gericht. Und was prägt uns dabei?

Wer oder was prägt unser Körperideal?

Die sozialen Medien sind längst vorne dabei, wenn es darum geht, uns zu zeigen, was gerade schön ist. Etwa 1,5 Milliarden Menschen nutzen Instagram weltweit, in Deutschland sind es schätzungsweise 32 Millionen (2). Es könnte also heute echt demokratisch sein: wir alle könnten online vertreten sein und das Bild von Körpern in der Öffentlichkeit verändern. Doch was machen wir? Wir setzen uns - zugunsten der Ästhetik - wiederum mit Bildern unter Druck. Vor der Veröffentlichung  werden Instagram- Bilder meist per Bildbearbeitung optimiert. 

Natürlich gibt es Ausnahmen: ab und an gibt es zum Beispiel Magazine, die Frauen unbearbeitet aufs Cover bringen, doch natürlich sind das keine Frauen, die Bearbeitung bräuchten. Und wieder ist Scham vorprogrammiert: "Die kann es sich leisten, ich könnte das nicht", denken viele Frauen. Und Frauen sind auch recht hart in der Bewertung von anderen Frauen, die sie als Konkurrenz erleben. Vermutlich, weil sie mit sich selbst ja ebenfalls sehr hart vor dem Spiegel sprechen. Mitgefühl für andere bleibt daher aus, eher ein mitleidiger ("die hat sich ja gar nicht unter Kontrolle") oder neidvoller Blick. Dann wird nach Fehlern gesucht ("Sie mag ja nett aussehen, aber die hat halt einen schlechten Charakter, nichts in der Birne" - das Übliche).

"Studien von Cyberpsychologen zeigen, dass sich die Flut idealisierter Körperbilder auf Instagram auf die weiblichen Betrachter auswirkt." stellt der promovierte Sozialwissenschaftler Dr. Martin Hecht fest.(2) 

Die Studien zeigen, dass die intensive Konfrontation mit dem aktuellen Schönheitsideal das eigene Körperbild negativ färben: Die Vergleiche mindern das Selbstwertgefühl und machen unzufrieden mit dem persönlichen Aussehen. So zeigt es zum Beispiel die Studie der Psychologinnen Sarah McComb und Jennifer Mills von der York University in Toronto (3). Sie teilten 142 Frauen zwischen 18 und 25 Jahren nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen auf. Und befragten sie zunächst nach ihrem momentanen Körperbild, ihrem Aussehen und wie zufrieden sie mit sich seien. 

Dann ging das Experiment los: Während sich die eine Gruppe von Frauen zehn Minuten lang bestimmte Fotos von Frauen auf Instagram ansah, schauten sich die anderen Landschaften an. Das Ergebnis lässt sich erahnen: Das Betrachten der Landschaften bewirkte keine Veränderung des Selbstbewusstsein und die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper nahm sogar eher zu.

Doch die Frauen, die sich die attraktiven Frauen angesehen hatten, zeigten einen Abfall des Selbstbewusstseins wie auch der Zufriedenheit mit sich selbst. Der eigene Körper erscheint den Betreffenden dann zu dick, zu untrainiert oder einfach unattraktiv.

Ursache und Wirkung

Im Verlauf der Studie kamen die Psychologinnen zu einem weiteren wichtigen Fund: Frauen mit einem eher perfektionistischen Persönlichkeitstyp und problematischer Emotionsregulierung schwankten besonders stark in ihrer Selbstwahrnehmung.

Frauen, die sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen, zu Selbstzweifeln und Unsicherheit neigen, sind nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall in unserer Gesellschaft! 

Bei vielen ist bereits der Blick in den Schrank mit den Sportsachen ein inneres Abwägen und Hadern: Kann ich diese kurze Hose überhaupt noch tragen? Darf ich meine Arme in einem ärmellosen Tshirt zeigen? Sieht man darin nicht meinen Bauch viel zu sehr? Bin ich mit meiner Schnauferei nicht peinlich?

Der Aufwärtsvergleich mit den meist bearbeiteten Bildern auf Instagram, setzt unter Druck. Viele Frauen trauen sich nicht in enge Sportbekleidung und warten erst auf den richtigen Moment "bis die Sporthose im Schrank wieder passt". Ich weiß von einigen Frauen, die bewusst abends laufen, damit sie möglichst wenig gesehen werden. Aus Scham.

Der Sozialpsychologe Leon Festinger formulierte das bereits 1954 sehr treffend in seiner Theorie sozialer Vergleichsprozesse (2):

Aufwärtsvergleiche bei denen man eine andere Person als irgendwie überlegen erachtet (klüger, attraktiver, erfolgreicher, trainierter, glücklicher, beliebter, verliebter...), lösen ein negatives Kontrastempfinden aus und machen weniger zufrieden, weil man sich selbst als "nicht gut genug" erlebt.

So kommt es, dass wir immer mehr erleben, dass es einerseits die Frauen gibt, die online begeistert von ihrem Leben oder ihrem Sport flöten und auf der anderen Seite die Frauen, die sich schon gerne bewegen würden, aber sich nicht trauen. Weil sie scheinbar nicht in dieses Bild passen. 

Wir wissen, dass wir uns weniger in Schönheit als in Humor und Charakter verlieben. Wir wissen, dass es anmassend ist, Frauen anzulasten, dass sie nach einer Geburt, nicht gleich wieder die Figur einer Heidi Klum haben. Wir wissen, dass es in den Wechseljahren und die Jahre davor, Zeiten gibt in denen der Körper sich verändert. Wir wissen, dass Falten bei vielen Frauen nur weg sind, weil sie das Geld oder den Filter dazu haben, die Gene haben damit oft gar nichts zu tun. Wir wissen, dass erfolgreiche Instagram Fotos und Reels viel Zeit kosten und echte Arbeit sind, die Priorität erfordern. Prioritäten zulasten anderer Themen, die nicht jede Person für sich setzen will und kann. Wir wissen es und doch fallen wir manchmal darauf herein, uns nach dem Social Media Konsum unzufrieden mit uns zu fühlen. Vielleicht kennen das sogar mehr Männer als wir denken?

Was wirklich hilft, um sich von den eigenen Zweifeln zu lösen

Obwohl ich seit ich ein Kind bin viel Sport mache, änderte sich mein Blick auf den Körper erst als ich im Jahr 2006 mit Triathlon und Laufen begann, schnell verstand ich: es gibt nicht den einen sportlichen Körper beim Ausdauersport. Da gibt es Frauen, klein und stämmiger gebaut als ich und sie laufen mir mit voller Kraft davon! Da gibt es Männer mit Bauch und sie radeln schneller als mancher trainierter Mann, denn für die Aerodynamik ist der Bauch nicht so wichtig. Und es gibt die Menschen, die einfach da sind, wenn du unterwegs ein Problem hast und dir helfen - zB beim Traillauf oder Hindernislauf - denn ihnen geht es nicht ums Ergebnis, sondern um die Gemeinschaft. Das alles kann ich beim Sport mit den passenden Leuten um mich herum erleben. 

Sport kann also deine Laune heben, dich selbstbewusster machen und wirklich gut tun. 

Doch Sport ist kein Allheilmittel für mentale Gesundheit, auch Sport kann in eine ungesunde Selbstregulation führen, etwa, wenn es das einzige Mittel wird, um sich gut fühlen zu können. 

Achte darauf mehrere Säulen im Leben zu haben, die dir helfen dich bei negativen Gefühlen zu sortieren und zu regulieren. Emotionsregulierung kannst du vielfältig lernen, Coaching ist eine Variante davon, dabei geht es viel um die Art wie du mit dir selbst sprichst und mit welchen Überzeugungen du auf die Welt blickst. Vielen hilft auch bereits die Erfahrung von Meditation als zusätzliche Säule. Achtsames Naturerleben - ohne Wettkampf und Zielzeiten- kann ebenfalls ein guter Ausgleich sein. Daher ist Wandern bei vielen Menschen sehr beliebt. 

Auch gesellschaftliches oder ökologisches Engagement kann sehr wirkungsvoll sein für dein inneres Gleichgewicht, da es sehr sinnstiftend ist. Mit Kindern oder Tieren zu spielen oder mit dem Lieblingsmensch zu kuscheln, kann ebenfalls sehr gut tun. (Das Hormon Oxytocin wird dabei ausgeschüttet, es beruhigt uns.). Daher ist es übrigens für alleinlebende Singles oft deutlich schwerer, sich in den Emotionen zu regulieren. Freundschaften zu pflegen, mit ihnen zu lachen, sich auch für deren Leben zu interessieren, kann dir helfen, dich mehr in Balance zu fühlen. Achte darauf, dass nicht nur du über deine eigenen Sorgen sprichst, sondern du auch zuhörst wie es anderen geht. Und das ihr auch den Blick für das Schöne im Leben übt. Dabei kannst du Dankbarkeit aufbauen, Missgunst und Vorurteile gegenüber anderen ablegen, denn wir neigen dazu die Herausforderungen der anderen zu unterschätzen. 

Lass los, was dich klein fühlen lässt. Ohne es schlecht zu reden, lass es einfach los. 

Damit sich die Mehrheit besser fühlt, plädieren manche Menschen dafür, dass jeder alles völlig filterfrei einstellen muss. Das ist aber wiederum gefühlt unfair für all diejenigen, die eben ohne Filter nicht so perfekt aussehen und sich da auch einen Schutz der Privatsphäre wünschen. 

Manche haben innerlich auch gegenüber jeder gut aussehenden Person Skepsis und Ressentiments. Sie warten nur auf die Enthüllung der Wahrheit. So erging es übrigens Cindy Crawford im Jahr 2013. Nach einem Shooting der Marie Claire (4) ging ein angeblich unretuschiertes Foto der damals 47-jährigen Cindy Crawford bei Twitter viral. Es zeigt das Model angeblich ohne Filter. Falten sind deutlich zu erkennen, die Haut an Oberschenkel und Bauch hängt ein wenig. Das Foto schien endlich fair und realistisch. Die Welt feierte das Bild, viele Frauen fühlten sich dadurch besser. Weit gefehlt - stellte sich viel später heraus, die Aufnahme war gefälscht – und das Topmodel der Achtziger und Neunziger war erstmal mehr als verunsichert. "Ich kenne meinen Körper und ich weiß, dass er nicht perfekt ist, aber vielleicht habe ich ein falsches Selbstbild", dachte sie selbst voller Zweifel, als sie das Bild das erste Mal gesehen hat. Sie kontaktierte schließlich verunsichert den Fotograf. Der war selbst verärgert und schickte ihr das Original.

Die Journalistin, die dieses Fake-Foto in die Welt setzte, um Frauen ein besseres Selbstwertgefühl zu geben, meinte es sicher gut. Doch sie tat genau das, was der größte Fehler bei Emotionsregulation ist: Wer andere Menschen schlecht machen muss (durch Lästerei oder falsche Gerüchte), um sich selbst gute Gefühle zu bereiten, ist auf dem Holzweg. Denn dann lernen wir nicht, damit umzugehen, uns selbst zu akzeptieren wie wir sind. Viele Menschen nutzen Manipulation als ungesunde Form der Emotionsregulation: "Ich kann mich erst besser fühlen, wenn du unterlässt...", "Du musst sein wie...., damit ich kann..." usw.

Dieses Gefühl: Den eigenen Körper zu spüren, ihn zu schätzen für seine Einzigartigkeit, dieses Gefühl gibt uns Sport.

In der Schule hatte ich das erste Mal eine Ahnung von den Vorteilen meines Körpers als ich feststellte, dass ich sehr hoch springen kann. Im Hochsprung, Basketball, ja sogar im Ballett wurde das zu meiner Stärke. Und später beim Triathlon merkte ich wieder Vorteile, die meine ganz individuelle Körperform mitbringt. Und diejenigen, die mich und meinen Kopf und Körper unterschätzten, wurden schnell leiser. Neben dem Gefühl von Wertschätzung des eigenen Körpers entsteht auch ein gesundes Bild von anderen menschlichen Körpern. An der Startlinie sehen wir uns ohne Filter. 

Ganz ehrlich, das freundliche Lächeln der Person neben mir, inspiriert mich mehr als eine Körperfalte mehr oder weniger. 

Einfach mal machen, könnte gut werden.

Wenn du dich dabei ertappst, vor dem Schrank mit deinen Sportsachen zu stehen und zu zweifeln, dann ist genau das der beste Grund, diese Sachen anzuziehen und zu loszulegen, egal ob für 13 Minuten oder mehrere Stunden. Wenn du dich bewegst, spürst du dich (wieder). Und genau das braucht dein Kopf für mehr Balance. 

Ich lerne dabei auch immer wieder, andere Menschen niemals zu unterschätzen. Denn gerade bei langen Distanzen und bei extremen Wetter-Situationen kommt zur Fitness noch der Kopf als Komponente hinzu. Und da sind vor allem, die stark, denen nicht alles in die Wiege gelegt wurde.


Anhang:

Du bist dran:

MOVE EVERY MIND! Die move every mind Studie ist eine Reaktion auf den ASICS State of Mind Index, der eine geschlechtsspezifische Ungleichheit aufgedeckt hat, bei der Frauen deutlich weniger Sport treiben als Männer. ASICS führt daher eine globale Live-Studie durch, um die Barrieren besser zu verstehen, die Frauen vom Sport abhalten und um zu erfahren, was getan werden kann, um sie zu unterstützen.

Hier gehts zur Studie:
https://www.asics.com/de/de-de/mk/move-every-mind

Quelle: 

(1) https://www.asics.com/de/de-de/mk/smsb-state-of-mind-index-global-results?fbclid=IwAR2y0tsKRYWT2y1OrJz3Z7_KaBvDcL0pdCtbyxbQusspUqaiA0x6NjkLYXU

(2) Hecht, M.: Schön wie Kim Kardashian?, in Gehirn & Geist, 02_2023

(3) McComb SE, Mills JS. Young women's body image following upwards comparison to Instagram models: The role of physical appearance perfectionism and cognitive emotion regulation. Body Image. 2021 Sep;38:49-62. doi: 10.1016/j.bodyim.2021.03.012. Epub 2021 Mar 30. PMID: 33798801.

(4) https://www.stern.de/lifestyle/supermodel-cindy-crawford-ist-auf-unretuschiertem-foto-von--marie-claire--zu-sehen---mit-falten-5948486.html

erstellt von
portrait

Daniela Dihsmaier

Executive Coach und Sport Mental Coach von München

Altersklasse: W45

Trainer: Susanne Buckenlei

Meine Disziplinen
Triathlon Olympische Distanz Triathlon Langdistanz

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